Die sprachlichen Vorraussetzungen für das Lernen an Österreichs Schulen hat sich in den vergangenen Jahrzehnten grundlegend verändert. Schüler·innen mit vielfältigen Sprachrepertoires sind schon lange nicht mehr die Ausnahme, sie sind die Regel. Sie haben andere Erstsprachen als Deutsch, sie haben sie bei längeren Auslandsaufenthalten zusätzliche Sprachen angeeignet, ihre Eltern sprechen mehrere Sprachen mit ihnen, sie werden vielleicht sogar bewusst mehrsprachig erzogen, sie kommen mit neuen Sprachkenntnissen aus den Ferien zurück, oder sie sich einfach nur normale Teenager, die ihre Freizeit vollkommen kompetent im englischsprachigen Internet verbringen. Weil — let’s face it — Englisch ist mittlerweile überall!

In der Schule sollte aber nicht nur Englisch als Fremdsprache und Deutsch als Unterrichtssprache gefördert werden. Aktiv gefördert werden sollten alle Sprachen.

Auch heute wird es noch einmal um Mehrsprachigkeit in der Schule gehen. Wir haben in den letzten beiden Folgen hautsächlich über die Problematisierung von Mehrsprachigkeit an der Schule gesprochen. Im ersten Teil haben wir uns die österreichische Bildungslandschaft ein bisschen genauer angeschaut. Im zweiten Teil haben wir gesehen, welche Effekte strikt monolingual ausgerichtete Ansätze wie das der Deutschförderklassen in Österreich auf mehrsprachige Schüler·innen haben kann — sowohl auf psychosozialer Ebene, als auch auf einer schulischen, also fachlichen Ebene des Lernens.

Am Ende der letzten Folge haben wir dann festgestellt, dass es durchaus auch andere, und nachweislich bessere Methoden gibt, sprachsensibel zu unterrichten, und dadurch nicht nur die Unterrichtssprache zu fördern, sondern zugleich auch das gesamte sprachliche Repertoire der Schüler·innen.

Dass sprachliche Bildung wichtig ist, weiß auch das System. Eigentlich. Wir erinnern uns an das Zitat aus der ersten Folge.

„Bildung ist immer auch sprachliche Bildung. Gute Sprachkenntnisse sind der Schlüssel zu mehr Bildungsgerechtigkeit im Schulsystem und zur erfolgreichen Nutzung vorhandener Potenziale.“

In der Schule geht es dabei also auch besonders um Bildungschancen und den Bildungserfolg. Bildung, also Wissen und Fertigkeiten, die mit diesem Wissen verbunden sind, werden in der Schule in erster Linie über Sprache vermittelt. Und das in allen Fächern, nicht nur in den Sprachenfächern.

Auch in den musischen Fächern, den sozialwissenschaftlichen und naturwissenschaftlichen Fächern brauchen Schüler·innen Sprache, um etwas zu lernen; und Lehrer·innen brauchen sie, um zu lehren. Um einen Versuchsaufbau in Physik beschreiben zu können, brauchen wir Sprache. Egal welche, aber wir brauchen Sprache. Auch in Kunst, Geschichte und Geographie müssen Fachtexte gelesen werden, und auch die bestehen nicht nur aus Abbildungen, Graphiken und Weltkarten.

Es wäre daher ein Trugschluss zu glauben, sprachliche Bildung sei eine Aufgabe des Sprachunterrichts, oder gar allein des Deutschunterrichts.

Überall dort, wo beim Lehren und beim Lernen Sprache im Spiel ist, ist auch Mehrsprachigkeit im Spiel.

Doch: wie geht man nun mit dieser Mehrsprachigkeit um? Wie stellen wir sicher, dass Bildungserfolg in Zukunft nicht mehr nur an der Staatssprache Deutsch hängt? Wie kommt die Mehrsprachigkeit nun in den Deutsch-, in den Geographie-, in den Physikunterricht?

Oder anders: Wie bringen wir Mehrsprachigkeit in das Klassenzimmer, um Lernprozesse zu verbessern und die Schüler·innen vor (zusätzlichen) diskriminierenden Erfahrungen zu bewahren?

Genau darüber wollen wir heute reden.

Mehrsprachiger Unterricht

Es gibt sehr viele — mitunter auch sehr unterschiedliche — Möglichkeiten, Mehrsprachigkeit in der Klasse zu thematisieren oder den Unterricht mehrsprachig zu gestalten.

Man könnte natürlich schon auf Schulebene eine Art mehrsprachige Organisation wählen. Wir haben im ersten Teil dieser Serie von bilingualen Schulen oder Klassen gesprochen. In offiziell zweisprachigen Ländern wie Kanada werden zum Beispiel auch verstärkt sogenannte Immersionsprogramme umgesetzt, Sprachbäder quasi. Dort werden Schüler·innen fast ausschließlich in der jeweiligen Minderheitssprache unterrichtet. Das ist in weiten Teilen von Kanada natürlich Französisch. Englische Immersionsprogramme sind auch in Kanada selten, weil Französisch nur im östlichen Teil des Landes, in Québec, die Mehrheitssprache ist.

Auch auf der Unterrichtsebene gibt es mehrere Möglichkeiten, Mehrsprachigkeit strukturiert in den Unterricht mit einfließen zu lassen. Teamteaching mit einer muttersprachlichen Lehrkraft. Der Interkomprehensions-Ansatz, bei dem man Gemeinsamkeiten zwischen der bereits gelernten und der zu erlernenden Sprache nutzt. Auch der CLIL-Ansatz zeigt bei bestimmten Zielgruppen positive Effekte. CLIL steht für Content and Language Integrated Learning, also: fach- und sprachintegriertes Lernen, bei dem die Lehrkräfte fachliche Inhalte in einer Fremdsprache vermitteln. Das heißt die Schüler·innen lernen dann zum Beispiel Geschichte auf Englisch. Oder sogenannte translinguale Ansätze, auf die wir später noch zu sprechen kommen werden.

In Österreich sind aber mehrsprachige bzw. bilinguale Schulen oder Unterrichtskonzepte sehr selten. Die allermeisten Schulen sind einsprachig.

Ich möchte heute zeigen, dass Mehrsprachigkeit auch in solch einsprachige Schulen passt, in Schulen wo eigentlich jedes Fach — meist sogar die Fremdsprachen — auf Deutsch unterrichtet wird. Und zwar geht das meist mit ganz einfachen Mitteln.

Wie schaut nun mehrsprachige sprachliche Bildung im Unterricht aus? Und kann das auch eine Lehrkraft, die die Sprachen, die sie fördern soll, gar nicht beherrscht?

Diese Fragen beantworten wir jetzt im praktischen Teil dieses Beitrags.

Denn die Praxis ist eigentlich mein Brotjob. Wenn ich meinen Kopf nicht gerade in der Theorie verliere, bin ich eine Hands-on-Person. Ich erstelle Lernpläne, durchforste Datenbanken, feile an meiner didaktischen Methodik. Ich bastle— im wahrsten Sinne des Wortes — eigenes Unterrichtsmaterial.

Und genau um das soll es in dieser Folge gehen. Um praktisches Material für den Einsatz im mehrsprachigen Unterricht.

Grundsätzlich kann mehrsprachiger Unterricht kann auf zwei Ebenen stattfinden: Einerseits kann Mehrsprachigkeit im Unterricht zum Thema gemacht werden. Das wird vermutlich eher in den Sprachenfächern der Fall sein. In Deutsch, aber auch in den typischen Fremdsprachenfächern, in Englisch, in Französisch. Und andererseits kann Mehrsprachigkeit aber auch als Ressource für fachliches Lernen dienen. Das heißt die tatsächliche Mehrsprachigkeit der Schüler·innen kann so in den Lehr- und Lernprozess in der Klasse einfließen. Das wiederum ist ein Zugriff auf Mehrsprachigkeit, der theoretisch in allen Fächern, auch den sog. Sachfachfächern, passieren kann.

Bei der ersten Unterrichtsidee geht es noch weniger um das bewusst Einsetzen von Ressourcen, sondern ehr um ein Erkunden von Sprache und wie sie funktioniert. Hier wird Mehrsprachigkeit also noch nicht konkret beim Lernen genutzt, sondern erst mal “nur” thematisiert.

In den beiden anderen Unterrichtsideen ist Sprache nicht mehr Thema des Unterrichts, sondern Mittel zum Zweckquasi. Es geht darum, alle Sprachen, die in einer Klasse gesprochen werden bei konkreten Aktivitäten zu nutzen. Und wir werden sehen, dass das auch in Sachfachfächern möglich ist.

Die ausgewählten Quellen sind im Internet frei zugänglich. Ich verlinke euch natürlich alle Materialien wie immer am Ende des Beitrags.Aber jetzt gehts los. Wir beginnen mit der ersten Aktivität.

Die lange Reise der Wörter

Primarstufe, Sekundarstufe I (Deutsch)

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Wo finde ich das Material?

Referenzrahmen für plurale Ansätze zu Sprachen und Kulturen (REPA):  „Die lange Reise der Wörter“

Was brauche ich für die Aktivität?

    • Abspielgerät für Hörtexte
    • Spielplan (mal Anzahl der Gruppen)
    • Wortlexika (mal Anzahl der Gruppen)
    • Spielfiguren (mal Anzahl der Schüler·innen)
    • Würfel (mal Anzahl der Gruppen)
    • Computer/Tablett und Drucker
    • ev. Laminierfolie und -gerät

Wie viel Zeit benötige ich?

3 Schulstunden

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Die erste Aktivität heißt “Die lange Reise der Wörter”. Da es hier um Lehnwörter, Fremdwörter und um Sprachwandel im Allgemeinen geht, eignet sie sich vermutlich am besten für den Deutschunterricht.

Grundsätzlich lässt sich das Material auch schon in der Volksschule einsetzen. Das wird vermutlich sehr stark von den Lesekompetenzen der Gruppe abhängen. Es geht aber dann bestimmt sehr gut mit Unterstufenschüler·innen ab der 5. Schulstufe.

Die Unterrichtssprache ist bei dieser Aktivität Deutsch. Sie wie bei allen Aktivitäten, die ich heute vorstellen werde. Es werden hier aber auch andere Sprachen verwendet, nämlich Arabisch, Englisch, Französisch, Italienisch und Ungarisch.

Auf der lange Reise der Wörter entdecken die Schüler·innen nämlich spielerisch, wie Sprachen miteinander verbunden sind. Sie finden dabei heraus, dass sie ständig in einem Austausch miteinander stehen. Dass Entlehnungen aus einer anderen Sprache, also die Übernahme eines Wortes aus einer anderen in die eigene Sprache, nicht nur etwas mit Sprache zu tun haben, sondern auch mit Kultur und mit Gesellschaft. Dass mit dem neuen Wort oft auch neue Gegenstände oder Techniken übernommen werden. Und dass mit einem Wort auch Bewertungen mittransportiert werden.

In der ersten Stunde wird erst einmal das Interesse der Schüler·innen am Thema geweckt. Die Lehrkraft spielt ihnen ein paar Hörproben von Fremd- oder Lehnwörtern in der deutschen Sprache vor, und sie erarbeitet mit ihnen, was Fremd- und Lehnwörter eigentlich sind.

Zum Beispiel skateboard, bureau aus dem Englischen oder dem Französischen, oder palacsinta aus dem Ungarischen.

Im Anschluss daran geht es dann darum zu überlegen, ob sich Wörter, die ins Deutsche wandern, verändern oder gleich bleiben. Und was sich an ihnen verändert? Die Aussprache, die Schreibung? An den Wörter Handy, Ziffer oder Gulasch kann zum Beispiel auch gezeigt werden, dass sich durchaus die Bedeutung von Wörter verändern kann, wenn sie “die Sprache wechseln”.

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Exkurs

Hättet ihr es gewusst? Was bedeuten Handy, Ziffer und Gulasch in ihren Ursprungssprachen? Die Antwort verrate ich euch natürlich — und zwar am Ende des Beitrags.

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In der zweiten Stunde basteln die Schüler·innen dann im Kleingruppen ein Gesellschaftsspiel zum Thema Fremdwörter. Dazu bekommt jede Gruppe einen Satz mit Frage- und Antwortkarten. Auf jeder Karte steht ein Rätsel zu einem Fremdwort im Deutschen, und zwar gleich mit der richtigen Lösung.

Zum Beispiel: Ich bin ein Milchprodukt. Mein Name stammt aus dem Türkischen. Bin ich der Tofu oder das Joghurt? Und darunter steht: Joghurt.

Die Schüler·innen müssen sich die Art, wie die Rätsel aufgebaut sind nun ganz genau anschauen. Im Anschluss sollen sie sich eigene Rätsel ausdenken. Dazu bekommen sie eine kleine Wörterliste, die wie ein Lexikon aufgebaut ist und in der die Schüler·innen alle Infos für eine gelungene Rätselfrage finden.

Da steht dann zum Beispiel: Couch, die: Ruhebett, Liegesofa; engl. couch in derselben Bedeutung; aus frz. couch“Bett, Lager”, zu coucher “niederlegen, zu Bett bringen”, aus lat. collocare “niederlegen, -setzen, -stellen”.

Die selbst entworfenen Fragen werden dann auf einem PC oder einem Tablet in eine Vorlage eingetragen, sodass sie das gleiche Format haben.

In der dritten und letzten Stunde dürfen die Schüler·innen ihr selbstgebasteltes Spiel gemeinsam spielen. Dazu verwenden sie einen Spielplan, der ihnen von der Lehrerin ausgeteilt wird, und all die bereits vorbereiteten und selbstgebastelten Frage- und Antwortkarten.

Alle Vorlagen für diese Aktivität befinden sich im (verlinkten) Materialpaket. Außerdem gibt es dort noch eine ganze Reihe an Hintergrundinformationen über die Geschichte und die Funktionen deutscher Fremdwörter vom frühen Mittelalter bis zum Einfluss des Englischen heute.

Wenn die Lehrerin nach dem Spielen noch Zeit für ein Abschlussgespräch einplant, können Quizfragen, die nicht gut gestellt waren oder die beim Spielen nicht gut angekommen sind, noch einmal überarbeitet werden oder aus dem Spiel genommen werden.

Im Anschluss kann das Spiel einer anderen Klasse vorgestellt oder sogar weitergegeben werden. Das würde dann bedeuten, dass noch mehr Kinder von einem Mehrsprachigkeitsunterricht profitieren können.

Diese erste Unterrichtsaktivität zielt vorrangig auf das Bewusstmachen fluider sprachlicher Grenzen ab. Es geht hier weniger darum, die individuelle Mehrsprachigkeit der Schüler·innen zu nutzen, um Lernprozesse effizienter zu machen. Es geht hauptsächlich darum, sie dafür zu sensibilisieren, dass Sprachen miteinander in lebendigem Austausch stehen und dass Sprache nicht nur eine rein strukturelle Dimension hat, wo bestimmte Wörter nach gewissen Regeln zu deutschen, englischen, arabischen Sätzen zusammengesetzt werden, sondern dass Sprache auch eine durchaus wichtige kulturelle und gesellschaftliche Dimension hat. Was wiederum eine gute Basis ist, um dann später, in höheren Schulstufen, auch kritisch über diese Dimensionen sprechen zu können.

Neben solchen explorativen Methoden, bei denen es um Haltungen und Wissen über Sprache und Sprachen geht, gibt es aber auch eine Reihe von Unterrichtsideen, bei denen die tatsächlichen mehrsprachigen Ressourcen der Schüler·innen im Fokus stehen. Und genau das machen die beiden anderen Zugänge, die ich euch heute noch vorstellen möchte.

Mondphasen

Sekundarstufe I (Physik)

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Wo finde ich das Material?

Mercator Institut für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache:  „Mondphasen“

Was brauche ich für die Aktivität?

  • Handout mit Textbausteinen in mehreren Sprachen
  • zwei kleine Bälle
  • eine Taschenlampe

Wie viel Zeit benötige ich?

1 Schulstunde

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Der eine der beiden Unterrichtsvorschläge ist für den Physikunterricht. Also für ein Fach, in dem man eigentlich nicht mit explizitem Mehrsprachigkeitsunterricht rechnet. Aber auch hier spielt Sprache natürlich eine zentrale Rolle beim Lernen. Sei es weil man Fachtexte verstehen muss, weil man den Lehrer verstehen muss, weil man Prüfungsaufgaben verstehen muss etc. Und genau deswegen ist es sinnvoll auch in Sachfachfächern wie Physik sprachsensibel zu unterrichten.

Sprachsprechsibler Unterricht zielt prinzipiell auf die Unterrichtssprache Deutsch ab. Das heißt er zielt darauf ab, dass sich alle Schüler·innen so weit auf Deutsch ausdrücken können, und zwar auf einem bildungssprachlichen Niveau ausdrücken können, dass sie den Anforderungen des Unterrichts gerecht werden.

Dabei wird aber konsequent und offensiv auf die Familiensprachen der Schüler·innen Rücksicht genommen. Es gibt eine ganz Reihe an Methoden, Unterricht sprachsensibel zu gestalten. Die familiensprachlichen Kompetenzen der Schüler·innen können auf viele verschiedenen Arten aktiviert werden, um ihnen den Sprung zur Bildungssprache Deutsch zu erleichtern.

Mit Familiensprachen meine ich sowohl andere Sprachen als Deutsch als auch deutsche Dialekte oder Register, die ja auch in der Schule irgendwann leider nichts mehr zu suchen haben.

Das Unterrichtselement, das ich für heute herausgesucht habe, macht Vorschläge für Polnisch und Spanisch, das lässt sich aber problemlos und endlos erweitern.

Worum geht’s? In dieser Stunde geht es um die Mondphasen, als physikalisches Thema. Es geht um die Durchführung von Experimenten, als physikalische Praxis quasi. Und es geht um das Verfassen von Versuchsprotokollen, was schließlich auch Teil der schulischen als auch der physikalischen Praxis ist.

Was ist in dieser Stunde zu tun? Mondphasen kennenlernen. Während die Erde um die Sonne kreist, kreist auch der Mond um die Erde. Und je nachdem, wo sich der Mond gerade auf seiner Bahn um die Erde befindet, sehen wir von der Erde aus unterschiedlich viel von seiner Oberfläche. Weil sich eben ein Teil davon meist im Schatten befindet.

Damit nun auch die Schüler·innen verstehen, wie die Mondphasen zustande kommen, sollen sie zuerst ein Experiment durchführen und daran anschließend eigenständig ein Versuchsprotokoll verfassen.

Vor dem eigentlichen Experiment stellt die Lehrkraft erst einmal sicher, dass alle auf etwa dem gleichen Wissenstand sind, also sowohl fachlich als auch sprachlich. Dieser Teil ist relativ frei zu gestalten. Wichtig ist, dass sich die Schüler·innen mit den Mondphasen und dem Fachwortschatz vertraut machen. Der Lehrer kann hier das Vorwissen der Schüler·innen erst einmal erfragen, eventuell an der Tafel festhalten. Welche Mondphasen kennen sie? Was wissen sie allgemein über die Mondphasen? Er kann die Schüler·innen auffordern, im Internet zu recherchieren, wie die Mondphasen in anderen Sprachen heißen. Das geht zum Beispiel mit Wikipedia sehr einfach, weil man hier sehr rasch zwischen verschiedenen Sprachen wechseln kann.

Die Lehrkraft kann in diesem Zusammenhang auch gleich auf Wörter eingehen, die in der Fachsprache andere Bedeutungen haben als im Alltag. Ein Himmelskörper sieht natürlich nicht wie ein menschlicher Körper aus. Oder ein abnehmender Mond verliert nicht an Gewicht.

Nach diesem gemeinsamen Einstieg in die Aktivität wird die Klasse dann in zwei Gruppen geteilt. Während eine Gruppe den Klassenraum verlässt, führt die andere Gruppe das Experiment durch. Dafür bekommen sie eine Taschenlampe und zwei kleine Bälle. Die Taschenlampe soll die Sonne sein. Die Bälle sollen Erde und Monddarstellen. Sonne und Erde bleiben bei der Durchführung fix an ihren Plätzen. Das Deckenlicht wird ausgeschaltet.

Nun sollen die Schüler·innen die Position des Mond-Balls immer wieder verändern, bis sie alle Mondphasen, die sie gerade kennengelernt haben, nachgestellt haben. Nachdem sie die Mondphasen aufgezeichnet und beschriftet haben, sollen sie zu ihrer Skizze ein Protokoll verfassen, in dem sie den Versuch in einer paar Sätzen beschreiben. Und zwar hat das Versuchprotokoll den Zweck, der anderen Gruppe, der, die ja gerade noch draußen wartet, zu erklären, wie das Experiment funktioniert, damit sie es dann im Anschluss nachmachen kann.

Das heißt auch, dass das Protokoll selbst auf Deutsch verfasst werden wird müssen, damit es auch alle verstehen. Das kann aber zu gleich zwei Schwierigkeiten führen: Erstens wird die Textsorte “Versuchsprotokoll” die Schüler·innen neu sein. Und zweitens ist die Textsorte auch sprachlich herausfordernd. Es wird Bildungssprache verlangt, Fachwortschatz. Und natürlich Deutsch.

Um den Schüler·innen diese Arbeit zu erleichtern, kann der Lehrer den Gruppen eine Liste mit Text- und Satzbausteinen zur Verfügung stellen. Als Sprachen bieten sich natürlich neben Deutsch die Sprachen der Lerner·innen an. Es ist also wichtig, dass man die Sprachen seiner Schülerinnen kennt. Aber das setze ich heute einfach mal voraus. Das wäre wieder eine andere Geschichte. Im Material, das ich verlinke, ist das an den Sprachen Deutsch, Polnisch und Spanisch vorgemacht worden.

Beispiel aus dem Material:

Eine Vermutung äußern kann man auf…

  • Deutsch: Ich vermute, dass…
  • Polnisch : Przypuszczam, ze, …
  • Spanisch: Supongo que…

Die Wörterliste gibt also für jeden Teil des Protokolls passende Sprachbausteine auf Deutsch vor und übersetzt diese in die anderen Sprachen der Schüler·innen, um ihr restliches Sprachrepertoire zu aktivieren, und ihr sprachliches Wissen zu integrieren.

Das heißt die Schüler·innen erhalten durch das Hilfsmaterial nicht nur eine Idee davon, wie so ein Versuchsprotokoll aufgebaut sein muss, sondern eben auch nützliche sprachliche Mittel, die es ihnen erlauben, ihr eigenes Protokoll zu verfassen.

Man sieht an dieser Unterrichtsidee sehr schön, dass das Hereinholen der Mehrsprachigkeit in den Unterricht und das Aktivieren mehrsprachiger Kompetenzen der Schüler·innen gar nicht so schwierig oder aufwendig ist, wie man sich das oft vorstellt. Im Fachunterricht muss man oft nicht einmal besondere Methoden anwenden. Da ist oft mit einfachem sprachsensiblen Unterricht schon sehr viel gewonnen.

Hier zum Beispiel genügt ein einziges zusätzliches Arbeitsblatt mit sprachlichen Mitteln. Und das hilft im Grunde allen in der Klasse. Denn auch für deutschsprachige Schüler·innen kann es nützlich sein, einen Schreibplan für eine ihnen unbekannte Textsorte zu haben.

Das ist es, was sprachsensiblen Unterricht ausmacht. Er fördert und fordert alle Lernenden.

Und man sieht auch sehr schön, dass genau das, das Arbeiten mit der Mehrsprachigkeit der Schüler·innen, zu mehr Lernerfolg führen kann. Die Schüler·innen erfahren, dass die Sprachen, die sie sprechen, nicht vom Unterricht ausgeschlossen sind. Sie werden explizit dazu aufgefordert, sich den Fachwortschatz, den sie dann auf Deutsch brauchen, auch in anderen Sprachen anzueignen.

Theoretisch könnte man hier sogar noch weiter gehen und sagen, in sehr homogenen Klassen, wo sich wirklich Gruppen bilden lassen, in denen alle die gleichen Sprachen sprechen, könnte man auch die gemeinsame Arbeit am Versuch in allen Sprachen zulassen und als Lehrkraft sagen, fein, ich spreche zwar nicht Türkisch oder Serbisch oder Polnisch, aber ihr dürft in den nächsten zehn Minuten sprechen, was ihr wollt. Hauptsache, ihr kriegt das mit dem Versuch irgendwie hin. Es ist nämlich ein weit verbreiteter Irrglaube, anzunehmen, dass es kontraproduktiv wäre, Schüler·innen freie Sprachwahl zu lassen, weil sie dann über irgendetwas reden würden und nicht mehr mitarbeiten würden.

Es gibt mittlerweile sogar Studien, die mit Videoprotokollen belegen können, dass in Gruppenarbeiten, in denen auch andere Sprachen als Deutsch verwendet werden dürfen, die allermeiste Zeit “trotzdem” zum Thema gesprochen wird, auch wenn gerade nicht Deutsch die Arbeitssprache ist.

Wie man die sprachlichen Ressourcen der Schüler·innen noch stärker in den Lernprozess involvieren kann, egal ob die Lehrkraft mehrsprachig ist oder nicht, möchte ich euch am letzten Beispiel für heute zeigen.

Mehrsprachiges Reziprokes Lesen

Sekundarstufe II (fächerübergreifend)

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Wo finde ich das Material?

  Mercator Institut für Sprachförderung und Deutsch als Fremdsprache: „Mehrsprachiges Reziprokes Lesen“

Was brauche ich für die Aktivität?

    • Lesetexte in Abschnitten
    • Fragenfächer (mal Anzahl der Gruppen)
    • Kärtchen mit Sprachbausteinen (mal Anzahl der Gruppen)

Wie viel Zeit benötige ich?

1 Schulstunde (plus Zeit zu Erarbeitung der Methode mit den Schüler·innen)

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Die letzte Methode, die ich heute vorstellen möchte, ist das Mehrsprachige Reziproke Lesen. Diese Methode verbindet — wie der Name schon sagt — zwei unterschiedliche Dinge miteinander: das reziproke Lesen eben und die Mehrsprachigkeit der Schüler·innen.

Das Reziproke Lesen an sich ist keine neue Methode. Sie hat sich bereits mehrfach sowohl praktisch als auch wissenschaftlich bewährt. Die Methode ist zwar ursprünglich auf eine (einzige) Sprache ausgerichtet, kann aber an mehrsprachige Lerner·innengruppen angepasst werden. Und genau das ist für uns heute interessant.

Beim Reziproken Lesen werden die Lernenden in Gruppen eingeteilt, in denen sie sich gemeinsam den Inhalt eines Texts erschließen sollen. Der Text wird dabei in unterschiedliche Abschnitte zerteilt und an die Gruppenmitglieder verteilt. Beim Lesen nehmen die Lernenden reihum immer wieder andere Rollen ein, um sich so quasi Schritt für Schritt und gemeinsam an den Inhalt des Textes heranzutasten. Das Ziel ist es also, den Text zu verstehen, sich also fachliches Wissen zu erarbeiten. Das Ziel ist es aber auch: sich Lesestrategien anzueignen bzw. diese zu festigen.

Was passiert nun konkret in diesen kleinen Lesegruppen?

Sagen wir, wir befinden uns im Fach Geographie und es geht gerade um den Klimawandel. Die Schüler·innen bilden zunächst Gruppen von 4 bis 5 Personen. Sie bekommen einen Text, der schon in Abschnitte zerlegt ist. Die Schüler·innen gehen nun abschnittsweise vor und bearbeiten immer mehrere Aufgaben pro Abschnitt. In jeder Runde übernehmen die Schüler·innen reihum eine andere Aufgabe.

  1. Zuerst lesen die Schüler·innen den ersten Abschnitt. Das kann leise passieren. Es kann aber auch ein Schüler oder eine Schülerin den Text laut vorlesen. Wichtig dabei ist, dass in diesem Schritt schwierige Wörter oder Stellen markiert werden.
  2. Im zweiten Schritt besprechen die Lerner·innen diese Schwierigkeiten in der Kleingruppe.
  3. Im dritten Schritt stellen die Schüler·innen Fragen an den Text, um die inhaltlichen Zusammenhänge zu verstehen.
  4. Im vierten Schritt fassen die Lerner·innen den gelesenen Textabschnitt in eigenen Worten zusammen. Das schult die Lernenden darin die wesentlichen Aussagen eines Textes zu erfassen.
  5. Im fünften und letzten Schritt sollen die Schüler·innen schließlich versuchen, vorherzusagen, wie der Text wohl weitergehen könnte bzw. welches Thema in einem Fachtext dem gerade gelesenen Abschnitt folgen könnte.

Danach ist der nächste Textabschnitt dran. Dieser Ablauf wird dann so lange wiederholt, bis alle Abschnitte gelesen wurden. Dabei ist es denkbar, dass bei jedem Abschnitt ein Gruppenmitglied die Moderation für einen der fünf Schritt übernimmt. Das heißt der erste Schüler liest vor, die zweite Schülerin weist auf die schwierigen Stellen hin, die dritte stellt die Fragen und so weiter. Die Rollen können dann bei jedem Abschnitt getauscht werden.

Die folgende Graphik (Quelle) verdeutlicht den Ablauf noch einmal bildlich:

Im Anschluss an das Lesen mit verteilten Rollen steht meist noch eine zusammenführende Aufgabe, auf die ich später noch ein bisschen genauer eingehen werde.

Damit diese Methode irgendwann automatisch als Lesestrategie angewendet werden kann, egal in welchem Unterricht und egal in welchem Fach, ist es natürlich sinnvoll und notwendig, das gesamte Verfahren sehr langsam einzuführen, Schritt für Schritt an einem Beispiel erst einmal durchzugehen und dann einfach ganz oft zu wiederholen.

Das ist anfangs mit Sicherheit ein Mehraufwand, sowohl für die Schüler·innen als auch für die Lehrkräfte. Aber es zahlt sich am Ende aus. Vor allem auch, wenn die Methode sprachsensibel umgesetzt wird.

Das hat ein wissenschaftlich begleitetes Projekt an einer Grundschule in Köln vor ein paar Jahren gezeigt. Das reziproke Lesen ist dort sehr einfach und mit Erfolg auch als mehrsprachiges Unterrichtselement eingesetzt worden, als Methode also, um im Unterricht die Mehrsprachigkeit der Schüler·innen aufzugreifen.

Hinter diesem Projekt steht die Erkenntnis, dass sich die Strategien, die eine lesende Person verwendet, um einen Text zu verstehen, nicht von Sprache zu Sprache ändern. Wir wenden beim Textverstehen immer dieselben Strategien an, egal in welcher Sprache wir lesen. Wir lesen den Text, wir klären schwierige Wörter, fassen ihn — wenn auch nur im Kopf — zusammen. Das heißt: Wenn wir uns diese Strategien zum Beispiel auf Deutsch angeeignet haben, können wir auch auf sie zurückgreifen, wenn wir später Englisch lernen, oder wenn wir später Türkisch lernen.

Das verstehende Lesen ist also unabhängig von der Sprache, in der gelesen wird.

Und umgekehrt ist es natürlich genauso: Wenn sich ein Lerner oder eine Lernerin diese Strategien auf Türkisch aneignet, kann er oder sie sie auch für deutsche Texte nutzen.

Und genau das passiert beim mehrsprachigen reziproken Lesen: Es werden Lesegruppen gebildet, wo wie bei der ursprünglichen Methode auch, in denen aber die gleichen oder zumindest ähnliche Sprachenkonstellationen vorkommen. So können die Lernenden ihr gesamtes sprachliches Repertoire nutzen, um mit den anderen Gruppenmitgliedern zu kommunizieren. Das heißt sowohl ihre Familiensprachen als auch Deutsch.

Der Ablauf der Leseaufgabe ändert sich dadurch nicht. Die Gruppenmitglieder durchlaufen diesen Kreislauf von Lesen, Wörter klären, Fragen stellen, zusammenfassen und vorhersagen — genauso, wie sie es in einer Sprache machen würden, mit dem einzigen Unterschied, dass nach dem ersten Lesen eines Textabschnittes im Gespräch mit den anderen dann alle Sprachen verwendet werden können, die alle Mitglieder einer Gruppe verstehen. Das heißt das Klären schwieriger Wörter, das Beantworten der Fragen, aber auch das Zusammenfassen zum Beispiel müssen nicht auf Deutsch passieren. Die Schüler·innen können aber auch Sprachen mischen, so wie es für sie in der Situation gerade gut ist.

Zusätzlich können den Schüler·innen vor allem für die Schritte zwei bis fünf mehrsprachige sprachliche Hilfen zur Verfügung gestellt werden. Gerade wenn die Methode noch neu ist, kann es durchaus hilfreich sein, einen Fragenfächer parat zu haben zum Beispiel, der alle wichtigen Fragen enthält, die beim inhaltlichen Verstehen relevant sind. Oder kleine Kärtchen, auf denen Redemittel stehen, um Vorhersagen zu machen oder einen unbekannten Begriff zu definieren. Diese Hilfestellungen machen das reziproke Lesen nicht nur zu einer mehrsprachigen, sondern auch zu einer sprachsensiblen Unterrichtsmethode.

All diese Ressourcen wurden im Zuge des Projekts in Köln bereits ausgearbeitet und sind im Internet frei zugänglich.

Denkbar wäre allerdings auch, die ausgewählten Texte in den Sprachen der Schüler·innen zur Verfügung zu stellen. Warum? Weil es ja bei dieser Aufgabe nicht um das Lesenlernen auf Deutsch geht, sondern um Lesestrategien allgemein, die ja von einer Einzelsprache entkoppelt sind.

Die Idee, die hinter diesem Vorgehen steckt, hinter diesem Freilassen aller Sprachen in einer Kommunikationssituation, kommt aus dem anglo-amerikanischen Raum und nennt sich translanguaging.

Translinguale Ansätze gehen davon aus, dass Sprachen nicht klar voneinander getrennt werden können — weder in der Welt noch in den Köpfen der Sprecher·innen. Im Gegenteil: Das “Mischen“ mehrerer Sprachen wird sogar als sinnvoll und hilfreich für das schulische Lernen gesehen.

Gerade bei komplexen sprachlichen Handlungen wie dem Lesen von Fachtexten oder der Kommunikation mit der Allgemeinheit, wie das bei einem Vortrag vor der Klasse oder beim Schreiben eines Leserbriefs der Fall ist, sollte es den Schüler·innen ermöglicht werden, ihr gesamtes sprachliches, kommunikatives und intellektuelles Potenzial einzusetzen.

In der Pädagogik macht man sich diese Sichtweise zunutze, indem man Unterrichtssituationen gestaltet, in denen erstens mit anderen Sprachen wertschätzend umgangen wird, und in denen zweitens diese Sprachen zusätzlich zur Unterrichtssprache auch tatsächlich genutzt werden können.

Wichtig bei all den Methoden, die sich auf translinguale Ansätze berufen, ist, dass trotz all der sprachlichen und kommunikativen Freiheiten am Ende ein Produkt in der Unterrichtssprache steht, und zwar in einer bildungssprachlichen Form. Es geht also am Ende wieder um bildungs- und unterrichtssprachliche Kompetenzen. Und im deutschsprachigen Gebiet sind das nun mal Kompetenzen auf Deutsch.

Das heißt auch beim mehrsprachigen reziproken Lesen gibt es nach diesem gemeinsamen Sich-den-Text-Erschließen immer auch eine Anschlussaufgabe, in der dann irgendeine Kommunikationssituation geschaffen wird, in der es sinnvoll erscheint, wieder nur die Unterrichtssprache zu verwenden.

Eine Gruppe, die u. a. im Dialekt gearbeitet hat, muss das Plakat, dass sie zum Thema ihres gemeinsamen Textes gestaltet haben, vor der ganzen Klasse wieder in Hochdeutsch präsentieren. Oder eine Schülerin, die mit ihrer Gruppe auf Türkisch über den Text gesprochen hat, muss den Leserbrief an eine Tageszeitung aber auf Deutschschreiben.

Die Idee hier ist: Den Text erschließen kann ich mir in egal welcher Sprache, wenn ich aber über den Text kommunizieren muss, vor allem wenn mein Publikum größer ist, wenn ich keine Kontrolle mehr darüber habe, wer aller meinen Text lesen wird, werde ich in eine Sprache wechseln müssen, von der ich ausgehe, dass sie zumindest die meisten verstehen.

Auch das, die Sinnhaftigkeit oder die Notwendigkeit einer gemeinsamen Sprache, einer Standardsprache kann in einer solchen Unterrichtssituation mit den Schüler·innen thematisiert werden. Genau das trägt zusätzlich zur Steigerung der Sprachbewusstheit der Schüler·innen bei und kann ihnen helfen, all ihre sprachlichen Ressourcen wertzuschätzen, zu lernen welche Sprachen und welche Sprachformen in welchen Situationen am besten geeignet sind und auch welche hierarchischen Verhältnisse zwischen den Sprachen oder Sprachformen bestehen. Auch das kann — und sollte meiner Meinung nach—, immer Bestandteil von sprachsensiblem und mehrsprachigem Unterricht sein.

Fazit

Mehrsprachigkeit und die mehrsprachigen Repertoires der Schüler·innen sind heute nicht nur Bildungsziele, sondern auch Rahmenbedingungen für alle Bildungsprozesse. Mehrsprachigkeit ist für all Kinder in der ein oder anderen Form Realität und muss in der Schule nicht nur unterstützt, sondern auch aktiv gefördert werden.

Mehrsprachige Unterrichtselemente können in allen Fächern eingesetzt werden und zwar auch von Lehrerinnen und Lehrern die sich selbst als einsprachig bezeichnen. Außerdem wissen wir aus der Forschung, dass sich nicht-deutschsprachige Gespräche im Unterricht die allermeiste Zeit “trotzdem” um das Unterrichtsthema drehen.

Der Einsatz mehrsprachiger Unterrichtselemente zielt darauf ab, das gesamte Sprachrepertoire der Schüler·innen zu aktivieren. Plurale Ansätze wie die Sprachsensibilisierung beim “langen Weg der Sprachen” helfen den Schüler·innen ihr Wissen über Sprachen und Kulturen zu erweitern, ihre Einstellungen und Haltungen zu Sprachen und Sprecher·innen, aber auch zu sich selbst, zu reflektieren, und Fertigkeiten auszubilden, die es ihnen ermöglichen, in mehrsprachigen Situationen kompetent und selbstwirksam zu agieren.

Auch im Fachunterricht lassen sich ohne große Mühe mehrsprachige Angebote machen, die es den Schüler·innen erleichtern, ihre alltagssprachlichen Deutschkenntnisse auf Bildungsniveau auszubauen.

Translinguale Ansätze wie das Translanguaging sind zwar in Europa noch nicht so stark verbreitet, gehen aber in Sachen Mehrsprachigkeitsdidaktik noch einen Schritt weiter als die bereits genannten Methoden. Sie gehen von der grundlegenden Fähigkeit der Schüler·innen aus, all ihre Sprachen gleichzeitig und zielgerichtet einsetzen zu können und sich diese Fähigkeit beim Erarbeiten neuer Wissensinhalte zu Nutze zu machen.

Die wenigen Beispiele, die ich heute im Ansatz vorgestellt habe, haben hoffentlich bereits gezeigt, wie vielfältig die Möglichkeiten sind, Mehrsprachigkeit im Klassenzimmer zu fordern und zu fördern.

Mehrsprachigkeit ist Spiel, Spaß, Staunen. Sie ist bunt und kreativ. Sie ist wirklich und wirksam. Sie hilft uns zu verstehen und uns zu verständigen. Sie macht uns alle einzigartig und sie macht uns alle gleich. Wir alle sind Teil einer mehrsprachigen Gesellschaft. Wir alle sind mehrsprachig.

Und nun stellt euch eine Welt vor, in der dieses Gefühl allen Kindern vom ersten Schultag an vermittelt wird.

Auflösung des Rätsels

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Habt ihr in der Zwischenzeit herausgefunden, was Handy, Ziffer und Gulasch eigentlich bedeuten?
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Handy klingt nicht nur Englisch, sondern kommt tatsächlich aus dem Englischen. Dort bedeutet es aber nicht Mobiltelefon, sondern “handlich” oder “praktisch”. Was ja für ein Taschentelefon eigentlich auch ganz passend ist.
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Das Wort Ziffer stammt aus dem Arabischen, wie so vieles, was mit Zahlen zu tun hat. Doch steht die Ziffer auch im Arabischen für alle einstelligen Zahl von 1 bis 9, so wie im Deutschen? Nein, denn ṣifr heißt auf Arabisch eigentlich “Nichts” und steht damit nur für die Zahl “Null”.
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Bleibt also nur noch das ungarische Gulasch. Ein Traum für jeden Fleischfan. Oder nicht? Als Vegetarierin bin ich natürlich für “nicht”. Aber auch als Sprachwissenschaftlerin bin ich skeptisch. Denn wenn man Gulasch im Wörterbuch nachschlägt, findet man dort die Übersetzung “Rinderhirte”. Und das ergibt dann doch ein eher makaberes Bild.

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