Wörter reisen, seit es Sprache gibt. Lasst uns gemeinsam nachsehen, woher sie kommen. Mit unserem Reisewörterbuch jetten wir Folge für Folge durch die Länder und sammeln ein paar deutsche Wortsouvenirs aus anderen Sprachen. Letzte Etappe: Griechisch.

Es wäre eine Sisyphusarbeit, eine vollständige Liste aller Gräzismen im Deutschen anfertigen zu wollen. Genauso wie der alte Sagenkönig von Korinth hätten wir mit dieser Arbeit wohl bis in alle Ewigkeit zu tun. Zur schier unendlichen Zahl der aus dem Altgriechischen übernommenen Wörter gesellen sich all jene Wörter, die einen Zwischenstopp im Lateinischen gemacht haben, bis sie ins Deutsche gelangt sind.

Da wäre zunächst einmal das Atom, das lange Zeit als kleinster Baustein aller Materie galt. So will uns zumindest die Bedeutung des griechischen Adjektivs ἄτομος átomos glauben machen. Atomos bedeutet nämlich unteilbar. Die Teilchenphysik hat sich seit der Antike zwar weiterentwickelt, der irreführende Name allerdings blieb.

Auch mit Bakterien muss sich die Wissenschaft häufig plagen. Das griechische βακτήριον baktērion bezeichnet eigentlich ein Stäbchen. Nicht unpassend für die umgangssprachlichen Bazillen. Stäbchenförmige Bakterien wurden auf Latein tatsächlich bazillus genannt. Bakterien kommen aber in allen möglichen Formen: kugelförmig, wendelförmig, mit Sielen, mit Anhängen, in langen verzweigten Fäden oder auch völlig unförmig.

Die kleinsten Bakterien sind nur 0,1 Mikrometer groß. Das sind gerade einmal 0,00000001 Meter. Die heutige Definition des Meters selbst gibt es erst seit 1983. Ein Meter ist die Länge, die ein Lichtstrahl in einem 299.792.458-sten Bruchteil einer Sekunde zurücklegt. Sprich: mit Lichtgeschwindigkeit. Das Wort für diese Länge gibt es aber schon seit der Antike. Das altgriechische μέτρον metron stand für nichts anderes als das Maß. Was für eine Idee, die Sache mit der Lichtgeschwindigkeit! Das Wort ἰδέα idéa ist auch altgriechisch und bedeutete Gestalt. Vor der Idee mit der Lichtgeschwindigkeit hatten die Menschen natürlich viele andere Einfälle, wie sich ein Meter bestimmen lassen könnte. Zunächst vermaß man den Erdmeridianquadranten, dann Spektrallinien in Kadmium und Krypton. Das Edelgas Krypton hat selbst einen griechischen Namen. κρυπτός kryptós bedeutet  verborgen. Keine schlechte Namenswahl für ein chemisches Element, das zu den seltensten der Erde gehört.

Verborgen bleiben uns im Alltag auch die meisten unserer Körperorgane. Erst chirurgische Eingriffe legen sie uns in die Hand. Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes: denn χειρουργία cheirurgía bedeutete im Altgriechischen Handarbeit. Das chirurgische Besteck wird aber nicht Organ genannt, obwohl Organ ja eigentlich auch nichts anderes bedeutet als Werkzeug.

Mit oder ohne Handarbeit, die moderne Medizin rettet unaufhörlich Menschenleben. Das deutsche Wort Sarg ist deswegen trotzdem nicht überflüssig geworden. Oder kommt das etwa auch aus dem Griechischen? Aber natürlich. Sarg ist eine Verkürzung des griechischen sarkophagos. Zerlegt man diesen Begriff in seine beiden Bestandteile, wird einem ob des makaberen sprachlichen Bildes gleich anders zumute: σάρξ sárx steht nämlich für Fleisch und φαγεῖν phagein für essen. Der Sarg als Fleischfresser also.

Ich krieg die Krise. Beziehungsweise haben wir die eigentlich schon lange. Die altgriechische κρίσις krísis bezeichnete ursprünglich eine Meinung oder Entscheidung. Das Verb krínein stand für trennen oder unterscheiden. Das Ende aller Krisen ist und bleibt aber eine Utopie. Gemeinsam mit der altgriechischen Verneinung οὐ ou wird der τόπος tópos, also ein Ort oder eine Stelle, zu einem Nicht-Ort, etwas, was nicht sein kann. So wie Stillstand. Oder um es mit griechischen Worten zu sagen: Pause. Die παῦσις paūsis ist nämlich eine griechische Rast.

Damit kehrt auch das Lehrwerk aus der späten Sommerpause zurück. Ab der nächsten Episode — ach ja, Episode war natürlich auch einmal Griechisch. Epeisódion steht dort für das noch Dazukommende. Also, kommt auch ihr dazu und hört selbst. In zwei Wochen geht es hier weiter mit einer geballten Ladung an Wissen, die Sprache schafft.