Das generische Maskulinum – kaum ein sprachliches Phänomen wird in der Öffentlichkeit so heiß diskutiert. Für die einen ist es ein Relikt aus patriarchalen Zeiten, für die anderen bloß harmlame Grammatik. In vielen Debatten wird es zum Symbol für alles, was an geschlechtergerechter Sprache „nervt“ – oder „notwendig“ ist. Aber was steckt wirklich dahinter?

Im dritten Teil meiner Artikelreihe zu geschlechterbewusster Kommunikation sprechen wir über Grammatik. Ich erkläre dir, was ein generisches Maskulinum (wirklich) ist, woran du es in einem Text erkennst und wie du es gegebenenfalls ersetzen kannst. Denn: Das generische Maskulinum an sich ist nicht das Problem. Das Problem ist sein unreflektierter Gebrauch.

Sprache als Beziehungsmatrix

Sprache ist nicht nur ein Mittel zur Informationsvermittlung – sie schafft Beziehungen. Überall dort, wo der zwischenmenschliche Kontakt im Mittelpunkt steht, ist es wichtig, sich nicht nur der Bedeutung, sondern auch der Wirkung der eigenen Worte bewusst zu sein.

Wenn es um geschlechtergerechte Sprache geht, hat sich in der Öffentlichkeit mittlerweile der Konsens herausgebildet: Viel zu viele Männer hier! Und wer ist schuld? Das generische Maskulinum!

In thematisch und teleologisch verengten Debatten mit Gendergegner*innen hilft uns diese verkürzte Sichtweise jedoch nur selten weiter. Schlimmer noch, wir schränken damit nicht nur unseren Argumentationsspielraum am Stammtisch (oder im Lehrerzimmer oder auf Onkel Huberts Geburtstagsfeier) erheblich ein, sondern blenden gleichzeitig auch weitere diskriminierende sprachliche Praktiken aus.

Die moderne Genderlinguistik geht davon aus, dass nicht allein die Existenz eines generischen Maskulinums diskriminierend wirkt, sondern dessen unreflektierter Gebrauch. Deshalb geht es beim geschlechterbewussten Sprachgebrauch nicht um starre Regeln (und auch nicht ausschließlich ums generische Maskulinum), sondern um ein Bewusstsein dafür, wann und wie Geschlecht in unserer Kommunikation relevant wird.

Geschlecht ist ein Spektrum

Die Debatte um das sogenannte generische Maskulinum ist seit Jahren zentral in der Diskussion um geschlechterbewusste Sprache. Oft wird der Eindruck vermittelt, dass es eine einfache Lösung gäbe: entweder das generische Maskulinum komplett beibehalten oder es konsequent vermeiden. Entweder, oder. Schwarz oder weiß. Doch so einfach ist es nicht. Denn generisches Maskulinum ist nicht gleich generisches Maskulinum. Das liegt daran, dass es kein generisches Maskulium an sich gibt. Es gibt lediglich einen generischen Gebrauch bestimmter maskuliner Formen. Oder anders: Maskuline Personenbezeichnung haben nicht automatisch eine geschlechtsübergreifende Wirkung, sondern entfalten eine solche nur in ganz bestimmten Kontexten.

Wie jetzt, Kontexte? Okay, sehen wir uns die Sache etwas genauer an. Häufig wird Verfechter*innen von geschlechtergerechter Sprache (zu Unrecht) vorgehalten, Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Ein weit verbreiteter Einwand gegen inklusiven Sprachgebrauch lautet: Grammatisches Geschlecht ist nicht biologisches (oder soziales) Geschlecht. Die Kritik am sogenannten generischen Maskulinum sei demnach ungerechtfertigt. Mit einer Bezeichnung wie die Professoren seien schließlich nicht nur männliche Personen, sondern alle Menschen (sprich: Männer und Frauen) mit entsprechendem Titel gemeint.

Unsere erste Reaktion auf diesen Vorwurf ist dann meist, darauf hinzuweisen, dass wir uns (als Nicht-Mann) aber nicht „mitgemeint fühlen“. Wir beteuern es immer und immer wieder, wie ein Mantra, und in diesem Fall tatsächlich zurecht, schließlich gibt es mittlerweile eine ganze Reihe an psycho- und neurolinguistischen Untersuchungen, die unser „persönliches Gefühl“ wissenschaftlich bestätigen.

Doch warum entsteht dieses „Gefühl“ überhaupt, das wir auch unter wissenschaftlicher Beobachtung nicht abschütteln können? Hier kommen nun die oben erwähnten Kontexte ins Spiel.

Im sprachwissenschaftlichen Jargon sprechen wir hier vom Referenzialitätsgrad. Dieser bezeichnet das Ausmaß, in dem eine sprachliche Einheit auf eine konkrete, identifizierbare Entität verweist. Er ist also ein abgestufter Wert, der angibt, wie spezifisch oder abstrakt eine Personenbezeichnung gebraucht wird.

Die Stufen des Referenzialitätsgrads reichen dabei grob von „hoch referenziell“ bis „kaum referenziell“. Je höher der Referenzialitätsgrad, desto stärker wird eine Person als individuelle, geschlechtskonkrete Entität wahrgenommen.