Wir alle waren einmal klein und haben “Schule gespielt”. Wir hatten eine Tafel, Zeichenblätter, die wir zu Schulheften gefaltet haben und natürlich eines: Lese- und Schreibunterricht bei unseren älteren oder mit unseren jüngeren Geschwistern. In die Schule geht man schließlich, um lesen und schreiben zu lernen. Oder etwa nicht?

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Schriftsprachentwicklung im (Vor-)Schulalter

In einem Interview, das ich kürzlich mit Carla Heher für den Diverse Kinderbuch Podcast geführt habe, ging es um das Thema Erstlesebücher. Der Fokus des Gesprächs lag auf den Kriterien eines “guten” Erstlesebuchs und dem Angebot auf dem aktuellen Erstlesebuchmarkt.

Ich habe diese Überlegungen zum Anlass genommen, hier im Blog eine ganz neue Beitragsreihe zum Thema Schriftsprachentwicklung im
(Vor-)Schulalter zu starten. In jedem Beitrag werde ich auf einem besonderen Aspekt dieser Entwicklung fokussieren. Das Hauptaugenmerk dieser Reihe liegt auf dem Lesen und Schreiben im vor- und nicht schulischen Kontext. Die Reihe wird laufend ergänzt.

Im heutigen Beitrag werden wir definieren, was Schriftsprachentwicklung eigentlich ist. Lernen wir Schriftsprache oder erwerben wir sie? Auf welchen Ebenen spielt sich Schriftsprachentwicklung ab? Und was sind typische Vorläufertätigkeiten in diesem Prozess?

Vom Lernen und Erwerben

Schriftsprachentwicklung ist — wie die Entwicklung der Lautsprache auch — Teil des allgemeinen kindlichen Spracherwerbs. Sie fängt schon lange vor dem Schuleintritt an. Doch wo beginnt dieser Prozess genau? Und wo hört er auf? Aber auch: Was lernen Kinder in diesem Prozess eigentlich?

Grundsätzlich kann zwischen dem Lernen und dem Erwerb von Schriftsprache unterschieden werden. Während der Erwerb in weiten Teilen ohne Instruktion von außen (durch Bezugs- oder Lehrpersonen) auskommt, geht man beim Lernen von einem gesteuerten Prozess aus, bei den durch gezielt ausgewähltes Lernmaterial und konkrete Übungsformen sowie Methoden Wissen aufgebaut wird. Oder anders: Der Erwerb läuft prinzipiell unbewusst ab, Lernen bewusst. Die Lernenden wissen meist, was sie lernen.

Doch gerade bei der Schriftsprachentwicklung werden wir vermutlich sowohl von einem Lern- als auch von einem Erwerbsprozess ausgehen müssen. Natürlich ist und bleibt auch heute die Schule der primäre Ort, an dem Schriftsprache im institutionellen Kontext im Sinne eines Lernprozesses vermittelt wird. Allerdings

Erstens können einige Kinder bereits vor dem Schuleintritt Wörter er-lesen und er-schreiben. Und zweitens machen Tafelklässler·innen oft von Strategien Gebrauch, die sie im Unterricht noch nicht beigebracht bekommen haben (Wortgrenzen, Zeilen, Punkte usw.). Bredel et al. (2007) gehen also mittlerweile davon aus, dass Kinder nur durch eine geeignete Mischung von geeignetem Input und eigener Hypothesen- und Regelentwicklung zu kompetenten Leser·innen und Schreiber·innen werden.

Kinder eigenen sich Wissen und Kompetenzen im Laufe der Schriftsprachentwicklung also sowohl in einem weitgehend ungesteuerten Erwerbsprozess (Hypothesen- und Regelbildungen), als auch in einem von außen gelenkten Lernprozess in einem institutionellen Setting (Schulunterricht) an. Dabei endet der ungesteuerte Erwerb jedoch nicht mit dem ersten Schultag. Im Gegenteil, sollte die Entwicklung ungestört verlaufen, sind diese beiden Prozesse nur schwer zu trennen. Erfolgreiche Schriftsprachentwicklung kann aufgefasst werden als “die optimale Kombination aus eigenaktiver Verarbeitung und dem Angebot von außen, das das Wissen der Kinder aufgreift und sie mit herausforderndem Input [in ihrer Entwicklung vorantreibt]“ (Bredel et. al. 2007, S. 72)

Ich werde im Folgenden die Begriffe Schriftsprachentwicklung und Schriftspracherwerb parallel und in weiten Teilen synonym verwenden. Mit diesem terminologischen Fokus möchte ich die kindliche Eigenleistung und die intrinsische Motivation im Entwicklungsprozess betonen, ohne jedoch die Bedeutung äußerlicher Einfüsse für einen gelungenen Erwerbprozess zu verkennen.

Warum Schriftspracherwerb und nicht einfach Schrifterwerb?

Die Schrift — beim Lesen wie beim Schreiben — besteht (im Deutschen) nicht nur aus den Buchstaben des Alphabets. Lesen bedeutet nicht nur das Erlesen von Zeichen, die Gesprochenes — kurz: Laute — repräsentieren.

Während sich also der Schrifterwerb in einem engen Sinn ausschließlich auf den technischen Aspekt des Lesens und Schreibens bezieht, geht es beim Schriftspracherwerb in einem viel weiteren Sinne um den Erwerb einer ganz anderen sprachlichen Funktion.

Beim Schrifterwerb geht es um die Aneignung eines bestimmten Inventars an schriftlicher Zeichen, des Alphabets und der Buchstabenformen, diverser Techniken zum Lesen und Schreiben, motorischer Fähigkeiten beim Schreiben sowie auch die Fähigkeit, Geschriebenes in Gesprochenes zu übertragen.

Doch geschriebene Sprache unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von gesprochener. Nicht nur durch das Medium. Mit dem Beginn des Schriftspracherwerbs kommt ein Kind mit einem ganz neuen sprachlichen Code in Kontakt. Es muss etwa lernen, wie geschriebene Texte strukturiert sind, welchen graphischen Gesetzmäßigkeiten das Deutsche folgt und auch einen speziellen “schriftsprachlichen” Stil.

Wir werden im Verlauf dieser Serie sehen, dass der Beginn dieses Erwerbs bei vielen Kindern vor dem bewussten Lernprozess mit dem Deutschunterricht in der Schule liegt. Oder anders gesagt: Ein Kind, das unbedingt lesen oder schreiben lernen will, hat meist schon entscheidende Schritte in seinem oder ihrem Erwerbsprozess getan.

Im letzten Abschnitt dieser Einführung soll es daher um die Voraussetzungen für den Schrifterwerb und die Vorerfahrungen der Kinder gehen, die in der Schule mit Lese- und Schreibunterricht konfrontiert werden.

Vorerfahrungen im Schriftspracherwerb

Auch wenn viele Erwachsene — und Kinder — heute noch Schule mit dem Lesen- und Schreibenlernen verbinden, beginnt dieser Lernprozess lange vor dem ersten Schultag. Alle Kinder haben bereits vor der Einschulung auf die ein oder andere Art Erfahrungen mit der Schrift gemacht.

Das bedeutet nicht, dass alle Kinder bereits vor dem Schulanfang lesen und schreiben können. Manche Kinder hatten zu diesen Zeitpunkt schon Möglichkeiten, die grundlegenden Funktionen von Schrift und die besonderen Aspekte von Schriftsprache zu entdecken. Andere haben von der ersten Klasse noch wenige bis gar keine schriftsprachlichen Erfahrungen gesammelt.

Im Gegensatz zur Lautsprache ist das Erlernen der Schrift nämlich kein natürliches angeborenes Bedürfnis von Kindern. Bei Schriftlichkeit handelt es sich um eine kulturelle und soziale Praxis, die je nach sozialem Raum unterschiedlich gelebt wird. Kinder brauchen also vielfältige Angebote von außen, die ihre Neugier auf und ihre Motivation, lesen und schreiben zu lernen, anregen. Wie solche Angebote zu Hause aussehen könnten, soll Thema eines späteren Beitrag in dieser Reihe sein.

Kindergarten und Schule kommt in dieser Hinsicht eine kompensatorische Aufgabe zu, denn die eben angesprochenen schriftsprachlichen Praktiken werden in den Familien unterschiedlich gelebt. Ein Begriff, der in diesem Zusammenhang häufig genannt wird, ist jener der elementaren Schriftkultur (literacy).

Elementare Schriftkultur

Die Vorerfahrungen mit Schrift sammeln Kinder also in der Regel in den Familien. Durch die Einbettung des Lesens und Schreibens in diverse soziale Kontexte hat sich in der internationalen Leseforschung der Begriff literacy etabliert. Dieser Begriff bezeichnet über die Lese- und Schreibkompetenz hinaus auch das Textverständnis, das Leseinteresse und den Schriftsprachgebrauch im weiteren Sinne. Mechthild Dehn (2020) spricht in diesem Zusammenhang von “elementarer Schriftkultur”.

In den Familien findet demnach bereits lange vor dem Schuleintritt der Kinder eine Lese- und Schreibsozialisation statt, an der aber u. a. auch der Kindergarten, die Altersgruppe und die Medien beteiligt sind.

Wir lesen und schreiben nicht um des Lesens und Schreibens willen. Wir lesen, weil wir in eine literarische Welt eintauchen wollen, weil wir nach Informationen suchen, weil wir uns in der Umgebung zurecht finden wollen. Wir schreiben, weil wir etwas nicht vergessen wollen, weil wir mit anderen kommunizieren wollen, weil wir eine Idee in eine sichtbare ästhetische Form bringen wollen. Und es gibt unzählige andere Gründe.

In diesem Verständnis steht die Funktion von Schrift als soziale Praxis, die kulturell verankert ist, im Mittelpunkt. Aus dieser Perspektive vollzieht sich Schriftspracherwerb auf drei Ebenen (vgl. Gall, 2021).

Ebenen des Schriftspracherwerbs

Schriftkultur

Kinder sehen, wie andere Menschen lesen oder schreiben. Sie lernen zu verstehen, wozu Schrift dient und dass Gedanken durch Schrift festgehalten werden können. Dadurch erschließt sich ihnen ihre kommunikative Funktion, was einen wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung der eigenen Lese- und Schreibmotivation hat. Speziell das Vorlesen stellt eine wichtige schriftkulturelle Handlung dar, durch die sich Kinder der kulturellen Verankerung von Schrift im Alltag bewusst werden. Die erste Ebene, auf denen Schriftspracherwerb stattfindet, ist also jene der elementaren Schriftkultur.

Schriftlichkeit

Innerhalb dieser Schriftkultur gibt es nun unterschiedliche literale Register — eine Art Schriftlichkeit —, deren Merkmale sich teilweise sehr, teilweise weniger stark von den Merkmalen mündlicher Sprache unterscheiden. Frühe Formen gestalteter Sprache begegnet Kindern etwa in Kinderliedern, Gedichten, Fingerspielen usw. Kinder erleben die Merkmale schriftlicher Sprache also zunächst über Lautsprache. Ein wichtiger Grundstein für erfolgreichen Schriftspracherwerb ist die sog. phonologische Bewusstheit. Damit ist die Fähigkeit gemeint, sich mit der lautlichen Form von Sprache (in Gegensatz zur inhaltlichen) auseinanderzusetzen und diese auch zu gestalten (z. B. beim Reimen). Über diese Fähigkeit, und die Bedeutung, die ihr in Fachkreisen zugesprochen wird, schreibe ich in einem späteren Beitrag in dieser Serie. Auch auf dieser Ebene stellt das Vorlesen wieder einen entscheidenden Faktor dar. Bilder- und Kinderbücher tragen die charakteristischen Merkmale geschriebener Texte an die Kinder heran. Beim Zuhören entwickeln Kinder Textkompetenzen, die ihnen später bei der Entwicklung eigener Texte nützlich sind.

Schriftsystem

Nicht zuletzt bedienen sich alle schriftlichen Texte einem Schriftsystem. Sie werden also nicht mittels Laute übertragen, sondern mittels Schrift, die nach ganz spezifischen strukturellen Aufbauprinzipien funktioniert. Parallel zum aufkommenden Interesse an der Lautung von Wörtern, beginnen manche Kinder schon sehr früh, sich für Buchstaben zu interessieren. Gefördert werden kann der Übergang vom Laut zum Buchstaben unter anderem durch den spielerischen Umgang mit Silben, Reimen oder Anlauten. Auch in vielen Kinderzeichnungen kommt ein erster Zeichengebrauch zum Einsatz: die Kinder “malen” ihren Namen als Wortbild, kritzeln willkürlich Buchstaben aufs Blatt oder nummerieren ihre Häuser mit Hausnummern.

Diese drei Ebenen sind eng miteinander verwoben. Der Erwerb des Schriftsystems und der Schriftlichkeit im Sinne von literalen Registern ist nicht unabhängig vom Schriftgebrauch als soziale Praxis. Kinder beginnen in ihrer Entwicklung auf der äußersten Ebene, da sie von Beginn an an der Schriftkultur teilnehmen. Bereits sehr früh lernen sie über Kinderlieder, Abzählreime, das Vorlesen usw. wichtige Merkmale der schriftlichen Sprache kennen. Diese Vorerfahrungen sind schließlich wichtige Grundlagen für das Entdecken und Erarbeiten des jeweiligen Schriftsystems. Auch umgekehrt beeinflusst die Einsicht in Strukturen der Schrift auch die anderen beiden Ebenen. Durch das Interesse an Buchstaben verändert sich in etwa die Rezeption von Vorlesebüchern oder auch das eigene Erforschen von (neuen) Funktionen von Schrift.

Schriftsprachliche Vorläufertätigkeiten

Gerade Kinder, die in der Familie und im Kindergarten reichhaltige und vielfältige Erfahrungen mit schriftkulturellen Handlungen (Bücher lesen, Geschichten erzählen, Reime aufsagen usw.) machen können, interessieren sich oft schon sehr früh für Schrift. Beim Vorlesen von Kinderbüchern oder beim Singen von Kinderliedern richten wir eine Art „vertextete“ Sprache an die Kinder, die sich in ihrer Struktur (Prosodie, Reime, Wortschatz usw.) deutlich von der Alltagssprache unterscheidet. Den erste Kontakt zur Schriftlichkeit erleben Kinder also bereits in den ersten Lebensjahren über das Mündliche.

In Bilderbüchern werden Kinder Schritt für Schritt an die Abbildbarkeit von Welt durch Zeichen (in diesem Fall sogar durch Zeichnungen) herangeführt. Die hohe Wirksamkeit der frühen Bilderbuchbetrachtungen wird an den Beobachtungen zum Wortschatzaufbau deutlich. Bereits Kinder von etwa 18 Monaten profitieren von der Interaktion mit ihren Bezugspersonen, die sie beim gemeinsamen Betrachen von Büchern erleben. Das Erzählen, Bezeichnen, Erfragen und Bestätigen in einer aktiven Dialogsituation kann dem Kind das Lernen neuer Wörter sehr erleichtern. Beim gemeinsamen Bilderbuchanschauen handelt es sich also um eine sog. verdichtete Sprachlernsituation.

Beim gemeinsamen Lesen lernen Kindern allerdings auch zu abstrahieren. Dabei handelt es sich um einen zentralen Entwicklungsschritt in Schriftspracherwerb. Das Zebra im Buch ist nicht echt. Es ist die Repräsentation eines Zebras; und steht damit sowohl für das Spielzeugzebra im Kinderzimmer als auch für das neue Babyzebra im Zoo. Und für alle anderen Zebras auch. Das ist insofern wichtig für die Entwicklung von Schriftsprache, als es sich auch bei Schrift um ein Repräsentationssystem handelt. Die Buchstabenfolge Z-E-B-R-A repräsentiert das das Zebra im Kinderzimmer oder im Zoo. Bildern Bedeutung zuzuweisen (oder anders gesagt: sie zu benennen) ist bereits eine Form von „lesen“. Auch beim (Wörter-)Lesen wird später Texten Bedeutung zugewiesen.

Ältere Kleinkinder machen ihre ersten script-Erfahrungen mit Bilder- oder Kinderbüchern, die bereits kurze Geschichten erzählen. Diese folgen einem bestimmten Geschichtenschema (Script), das sich auf andere Geschichten übertragen lässt, und so einen Einfluss auf das eigene Geschichtenerzählen oder -schreiben beim Kind hat.

Vorlesen in der frühen Kindheit sollte möglichst interaktiv gestaltet sein. Beim sog. Dialogischen Lesen bezieht der oder die erwachsene Lesepartner·in das Kind aktiv in den Leseprozess mit ein, um die Geschichte über Gespräche gemeinsam zu konstruieren. Auch Vorschulkinder profitieren noch von dieser Vorlesepraxis. Im Alter von vier bis sechs Jahren geht es beim Vorlesen aber auch um andere Ziele. Wenn längere Texte „klassisch“ vorgelesen werden, hat das Kind die Möglichkeit, den Aufbau der Geschichte intuitiv zu erfassen. Zudem ist es mit einem deutlich differenziertere Wortschatz als in der Alltagssprache konfrontiert, hört und lernt beinahe beiläufig diverse Nebensatzkonstruktionen und die in der gesprochenen Sprachen ungewöhnlichen Mitvergangenheitsformen (Präteritum) von Verben. Differenzierter Wortschatz, Nebensätze und Präteritum sind jedoch typische Merkmale der Schriftsprache.

Das „Mitlesen“ mit dem Finger lenkt den Fokus des Kindes schließlich weg von den Bildern und verdeutlicht, dass wir uns als Leser·innen nicht an den Zeichnungen, sondern an den kleinen graphischen Zeichen neben den Zeichnungen orientieren. All das zusammengenommen unterstützt den Ausbau des kindlichen Sprachvermögens und die Ausbildung der Lesemotivation.

Dass Kinder bereits im Vorschulalter Einblicke in das Schriftsystem erhalten, zeigt sich also unter anderem daran, dass sie 1. Buchstaben und Texte als Symbole für gesprochene Sprache erkennen, 2. Schrift eine kommunikative Funktion zuschreiben und 3. tatsächlich einzelne Buchstaben und Wörter bereits kennen und/oder lesen können.

Das wird zum Beispiel beim sog. “Als-ob-Vorlesen” deutlich. Das Kind nimmt ein bekanntes Kinderbuch, schlägt es auf (oft auch noch verkehrt herum) und beginnt die Geschichte aus dem Gedächtnis vorzutragen. Jüngere Kinder imitieren oft einfach nur das Leseverhalten der Bezugspersonen: Leseposition, Lesehaltung, unverständliches Babbeln zwischen dem Umblättern. Manchmal trägt das Kind auch eigene Geschichten vor, die es mit “Vorlese”-Intonation oder schriftsprachlichen Floskeln ausschmückt. In all diesen Situationen steht die soziale Funktion des Lesens und Vorlesens im Mittelpunkt.

Ausblick

Der Erwerb der Schriftsprache geht also weit über das Lernen der Buchstaben und Rechtschreibregeln hinaus. Der Schriftspracherwerb vollzieht sich auf drei Ebenen (Schriftkultur, Schriftlichkeit und Schriftsystem) und ist ebenso Teil des kindlichen Spracherwerbs wie der Lautspracherwerb. Alle Kinder, die in einer Gesellschaft mit Schriftkultur aufwachsen, nehmen von Anfang an an dieser teil. Doch nicht alle Kinder haben dieselben Möglichkeiten, die Merkmale schriftlicher Sprache sowie die strukturellen Aufbauprinzipien der Schrift vor dem Schulbeginn selbst zu entdecken und zu erforschen. Elementare Bildungseinrichtungen haben daher eine ausgleichende Aufgabe im Rahmen der Lese- und Schreibsozialisation bei allen Kindern.

Ähnlich wie beim Lautspracherwerb kann auch der Schriftspracherwerb in unterschiedliche Stufen/Phasen eingeteilt werden. Im nächsten Beitrag dieser Serie werde ich ein mögliches Schema vorstellen, mit dem der kindliche Schriftspracherwerb modelliert werden kann. In weiteren Beiträgen wird es u. a. um die Hürden des Schriftspracherwerbs auf Deutsch, den Schriftspracherwerb in der Zweitsprache Deutsch, die Unterstützung des frühen Schriftspracherwerbs zu Hause und Tipps bei der Auswahl von Erstlesebüchern gehen.

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