E.T. nach Hause telefonieren

Welche Sprache sprechen Aliens?

Ziemlich sicher nicht Englisch, Deutsch oder Mandarin. In dieser Folge finden wir heraus, wie wir trotzdem Kontakt zu Außerirdischen aufnehmen könnten, was wir in Sachen interstellarer Kommunikation bereits alles versucht haben und was das Verfassen von Botschaften ins All für uns als Menschen bedeutet.

Anybody out there?

Diese Nachrichten sind vor fast 50 Jahren als Botschaft an Außerirdische ins Weltall geschickt worden. Bis heute warten wir auf eine Antwort.

Aber Moment, wie jetzt, Außerirdische? Ist es nicht schon auf der Erde schwierig genug, mit anderen ins Gespräch zu kommen? Entweder verstehen wir uns nicht, weil wir verschiedene Sprachen sprechen oder weil wir nicht auf der gleichen Wellenlänge sind. Wie soll das dann erst funktionieren, wenn unsere Gesprächspartner*innen auf einem anderen Planenten leben? So wenig wir momentan auch noch über extraterrestrische Lebensformen wissen, wir können zumindest davon ausgehen, dass keine davon Deutsch, Englisch oder Mandarin spricht.

Während wir noch über die Grenzen des Möglichen hinaus träumen, tauchen auch schon die ersten Fragen auf: Wie genau sollen wir Kontakt aufnehmen? Was wollen wir eigentlich kommunizieren? Und was passiert, wenn uns tatsächlich jemand antwortet?

Von Star Trek, über Akte X bis hin zu Futurama: Interstellare Kommunikation fasziniert vor allem auch viele Menschen außerhalb der Astronomie und Raumfahrt.

Auch die am 7. März auf Netflix gestartete Miniserie “Das Signal” handelt von einer geheimnisvollen Botschaft aus dem All.

Die hab ich mir, um diese Episode vorzubereiten, schon vorab anschauen dürfen, und und wenn ihr wissen möchtet, ob ich sie euch empfehlen kann, bleibt unbedingt dran bis zum Ende der Folge.

Doch mal kurz alles auf Anfang. Wie geht das eigentlich: Botschaften in den Kosmos schicken?

Erste Versuche

Im 21. Jahrhundert unserer Zeitrechnung ist die Suche nach außerirdischem Leben bereits voll im Gange. Die Astrobiologie sucht nach bewohnbaren Planeten und Monden in und außerhalb unseres Sonnensystems, nicht nur um herauszufinden ob, sondern auch in welcher Form Leben jenseits des Blauen Planeten existieren könnte.

Die Suche nach intelligentem außerirdischen Leben steckt im Vergleich dazu noch in den Kinderschuhen. Dabei ist es nicht so, als hätten die Menschen keine Ideen. Im 19. Jahrhundert wollte man trigonometrische Lehrsätze in die sibirische Tundra pflanzen, mit riesigen Spiegeln Botschaften in die Marslandschaft brennen oder über Lichtsignale Morsecode verschicken.

Diese ersten exotischen Versuche, Kontakt mit intelligentem Leben außerhalb der Erde aufzunehmen, oder kurz METI, englisch für: messaging extraterrestrial intelligence, blieben jedoch — wenig überraschend — fruchtlos.

Trotz unserer Neugier wissen wir bis heute noch so gut wie gar nichts über intelligentes Leben außerhalb unseres Heimatplaneten.

Es gibt — allein in der Milchstraße — Milliarden von Sternen, die unserer Sonne ähnlich sind. Wir können davon ausgehen, dass zumindest einige von ihnen von erdähnlichen Planten in der sog. habitablen Zone umkreist werden. Auf ihnen könnte sich also intelligentes Leben entwickelt haben. Und das schon vor langer, langer Zeit, denn viele dieser Sterne sind viel älter als die Sonne.  Manche dieser Zivilisationen könnten durchaus auch schon interstellare Raumfahrt entwickelt haben, etwas, wovon wir jungen Erdlinge gerade erst zu träumen beginnen. Und in ein paar wenigen Millionen Jahren lässt sich die Milchstraße locker durchqueren. Warum hat uns dann noch niemand besucht? Oder zumindest Kontakt mit uns aufgenommen?

Diese Argumentationskette wird gemeinhin als Fermi-Paradoxon bezeichnet: Wenn Leben so einfach ist, wo sind dann alle anderen? Eine Frage, die die moderne METI-Forschung nicht unbeantwortet lassen will.

Doch wie nimmt man nun mit Außerirdischen Kontakt auf?

Auf dem Weg zu einer Astrolinguistik

Wie stellen wir sicher, dass außerirdische Zivilisationen unsere Nachricht überhaupt verstehen? Oder anders: In welcher Sprache sollen wir unsere Nachricht übermitteln?

Mit Fragen wie dieser, beschäftigt sich auch die METI-Forschung seit dem “symbolic turn” in den 1950er Jahren. Gibt es vielleicht eine Art kosmische Universalgrammatik, wie sie Noam Chomsky auch für die Erdensprachen vorgeschlagen hat, die uns als Basis für das Formulieren von Botschaften an Außerirdische dienen könnte? Was wäre dann der kleinste gemeinsame Nenner, auf den sich alle Sprachen dieses Universums zurückführen lassen könnten?

Eine erste Antwort auf diese Frage lautet: Physik. Die physikalischen Gesetze, die wir von der Erde aus beobachten können, gelten schließlich — nach unserem heutigen Wissensstand — auch überall sonst im Universum.

Diese Idee hat der britische Zoologe und Statistiker Lancelot Hogben bereits 1952 in einem ersten Gedankenexperiment umgesetzt. Seine “Astraglossa” besteht aus sogenannten “Radioglypen”, also Paketen von einzelnen Radiosignalen, die als Zeichen interpretiert werden können. Über diese Sprache wollte er zunächst fundamentale mathematische Prinzipien und astronomische Beobachtungen einführen, um später darauf aufbauend über diverse menschliche Erfahrungen zu sprechen. Hogbens Sprache war allerdings noch sehr rudimentär und vor allem thematisch noch sehr arm. Ein erstes Gedankenexperiment eben.

Deutlich ausgefeilter wird es allerdings schon wenige Jahre später, als der Mathematiker Hans Freudenthal einen Entwurf seiner “Lincos” vorstellt — kurz für Lingua Cosmica. Auch er orientiert sich noch weitestgehend an der Sprache der Mathematik, in der er einen Mittelweg zwischen der Vieldeutigkeit natürlicher Sprache und den starren Formalismen der Logik sieht.

Sein Fokus liegt auf dem kommunikativen Aspekt. Daher arbeitet er hauptsächlich mit Beispielen, aus denen die Empfänger*innen eine Bedeutung/Definition ableiten können. Er beginnt, ähnlich wie Hogben, mit sehr abstrakten mathematischen und physikalischen Konzepten und schreitet dann fort zu konkreteren Informationen über das Leben auf der Erde. Doch auch Freudenthals Idee bleibt in sich unausgereift. Seine Sprache hat keine komplette Syntax, ein geplanter zweiter Teil des Projekts wird nie veröffentlicht.

Freudenthals System hat aber noch eine weiteres Problem: Um eine Sprache zu verstehen, die auf Anwendung und Austausch ausgelegt ist, braucht man eben genau das, Austausch, Feedback. Aber das mit dem Feedback ist im interstellaren Kontext, wo es um unvorstellbar große Distanzen geht, schwierig.

Diesem Problem nimmt sich einige Jahre später der Astronom und Informatiker Alexander Ollongren an. Sein Ziel: Lincos 2.0 — ein Kommunikationssystem, das auf Freundenthals Arbeit basiert, sich aber von selbst erklärt. Dazu rückt er weg von der Mathematik und wendet sich der modernen konstruktiven Logik zu. In dieser lassen sich alle Aussagen überprüfen, Missverständnisse sind so praktisch ausgeschlossen.

Ollengrens Lincos 2.0 besitzt eine einfache Syntax und funktioniert wie ein Annotationssystem für natürliche Sprachen. Eine interstellare Nachricht müsste also auch mindestens zwei Teilen bestehen: Einem natürlichsprachlichen Text, also ein Text auf Englisch, Deutsch oder Mandarin zum Beispiel. Und einem Metatext quasi, der in Lincos formuliert wird, und Informationen über die logische Form des englischen, deutschen oder chinesischen Ausgangstextes enthält. Damit orientiert sich Ollongren am maschinellen Lernen und an formalen Systemen, wie sie auch in der Informatik auf der Erde zur Anwendung kommen.

Ollengren geht davon aus, dass eine außerirdische Lebensform, die eine solche Nachricht empfängt, damit vermutlich das gleiche machen würde wie wir. Sie würde die linguistische Natur der Botschaft erkennen und sie schnurstracks durch ein automatisches Sprachverarbeitungsprogramm schicken.

Aber auch Lincos 2.0 hat Probleme: Anders als gewöhnliche Programmiersprachen beschreibt sie nur logische Relationen zwischen Begriffen. Die Bedeutung der Begriffe wird dadurch nicht klar.  Was nützt es also, wenn wir etwa Sätze wie “Das Buch Alice im Wunderland liegt in Regal Nummer 1.” quer durchs Weltall schicken können, wenn es dort niemanden gibt, der weiß, was Alice im Wunderland eigentlich ist? Ohne “Weltwissen” bleibt eine solche Nachricht nichts weiter als eine Aneinanderreihung bedeutungsloser Begriffe.

Um interstellare Botschaften mit Bedeutung zu füllen, ist es also notwendig, den Begriff des Textes weiter zu fassen, als wir er für gewöhnlich tun. Bilder, Videos und Musik könnten zusätzlich zu geschriebenem Text jenes “Weltwissen” liefern, dass die Logik einer Botschaft mit konkretem Inhalt füllt.

Viele Botschaften haben wir bis heute allerdings noch nicht ins All geschickt.

Interstellare Zeitkapseln

Zu den wohl bekanntesten Versuchen zählen sicherlich vier amerikanische Raumsonden, die in den 1970ern gebaut wurden, um unsere galaktische Nachbarschaft zu erkunden.

Pioneer 10 und Pioneer 11 starteten in den Jahren 1972 und 1973 ins All. Ihr Flugziel: Jupiter and beyond. Anfang 2024 sind die beiden bereits mehrere Milliarden Kilometer von der Sonne entfernt.

Auf beiden Sonden ist eine etwa zwei Handflächen große vergoldete Aluminiumplatte befestigt. Darauf zu sehen sind schematische Darstellungen eines Mannes und einer Frau, daneben zum Größenvergleich die Silhouette der Sonde, sowie die Position der Sonne relativ zu vierzehn Pulsaren und dem Zentrum der Milchstraße und eine Darstellung unseres Sonnensystems — damals noch mit Pluto. Darin außerdem die Reiseroute der Sonde.

Als Maßstab wurde in der linken oberen Ecke die sogenannte Wasserstofflinie abgebildet, die die charakteristische Radiostrahlung von neutralem Wasserstoff angibt. Daraus lässt sich — zumindest für geschulte Köpfe — etwas sehr Praktisches ablesen: und zwar eine universelle Längeneinheit, nämlich 21 cm, und eine universelle Zeiteinheit, nämlich 1.420 MHz.

Diese Einheiten sind in Form eines Binärcodes als Positions- und Größenbestimmung neben den Figuren, Planeten und Pulsaren angegeben. Nicht-Astronom*innen wie ich stellen sich das Ganze wie eine Einladung zu einem interstellaren Telefongespräch vor: Die Frequenz der Wasserstofflinie, die auf der Plakette angegeben wurde, liefert quasi die Telefonnummer, unter der man uns auf der Erde erreichen kann. Die Position der Erde im Sonnensystem bzw. relativ zu den angegebenen Pulsaren, die Ortsnetzkennzahl, quasi die interstellare Vorwahlnummer.

Wir sehen also: kein Englisch, kein Chinesisch, nicht einmal Logik. Stattdessen: Zeichnungen, Binärcode und ganz viel verschlüsselte Physik.

Wenige Jahre später starten zwei weitere Raumsonden ins All. Mit einer Geschwindigkeit von mehr als 56.000 km/h sind die beiden NASA-Sonden Voyager 1 und Voyager 2 1977 von der Erde gestartet.

Die Sonden haben eine ganze Reihe außergewöhnlicher Missionen hinter sich: Sie haben die Ringe der äußeren Planeten untersucht, Vulkane und Blitze auf anderen Himmelskörpern entdeckt und neue Monde lokalisiert. Mittlerweile befinden sie sich nicht mehr in der Heliosphäre, der sogenannten Sonnenkugel, die unseren Heimatstern und unser Planetensystem sehr großzügig umgibt. Nach über 45 Jahren nach ihrem Start sind sie nun im interstellaren Raum — und damit literally “reaching for the stars”.

Diese Mission bot die perfekte Gelegenheit, sich eine weitere Botschaft zu überlegen. Diesmal wurde je eine vergoldete Schallplatte an den Sonden angebracht. Auf dem Cover befinden sich ein paar Diagramme, darunter die Pulsar-Karte und die Wasserstofflinie von den Poineer-Plaketten sowie eine Anleitung zum Abspielen der Schallplatten. Sogar ein Tonarm zum Abhören ist dabei. Und ein Bauplan für einen Plattenspieler. Für den Fall, dass die glücklichen Finder so etwas nicht kennen.

Auf den Platten befindet sich ein Sammelsurium verschiedener Eindrücke vom Leben auf der Erde: Weltmusik, Naturgeräusche, Menschenstimmen, sowie 116 Bilder. Damit ist der Inhalt dieser Schallplatten deutlich diverser als jener der Poineer-Plaketten. Doch selbst wenn wir davon ausgehen, dass die Finderzivilisation die technischen Möglichkeiten besitzt, um die Platten abzuspielen, ist noch lange nicht klar, ob sie auch in der Lage sind, die darauf gespeicherten Inhalte zu interpretieren.

Ein Beispiel:

Auf den Platten sind Grüße in 55 verschiedenen Sprachen enthalten. Allerdings sind die Grüße in der Regel sehr kurz und auch inhaltlich verschieden. Sie eignen sich also kaum als “kosmischer Stein von Rosetta”, der über Beziehungen zwischen den Sprachdaten Aufschluss geben könnte. Im allerbesten Fall werden die Grüße nach einer statistischen Auswertung der lexikalischen Daten als eine Art Erdensprache erkannt. Bedeutung haben die Worte für die außerirdischen Hörer*innen mit ziemlicher Sicherheit aber keine.

Die Bilderreihe beginnt mit ein paar grundlegenden mathematischen Definitionen und physikalischen Konzepten. Natürliche Zahlen, Arithmetik, Maßeinheiten, die dann in weiterer Folge dazu dienen, die restlichen Bilder zu kontextualisieren. Etwa zur Angabe von Größe und Masse der Planeten in unserem Sonnensystem.

Trotz guter Absichten sind die Nachrichten, die mit diesen beiden Missionen ins All geschickt wurden, wohl nichts weiter als interstellare “Flaschenpost”. Botschaften, die viel über das Mitteilungsbedürfnis der Sendenden aussagen. Die den Empfänger*innen zwar verraten, dass es uns gibt — „Hello“ —, aber nicht, wer wir wirklich sind.