Fremdsprachen lernen

Warum haben immer nur andere einen Akzent?

“Sänk ju vor weting.” Na, hat euch das beim Lesen gerade in den Ohren wehgetan? Wirklich? Mir nicht. Und heute erkläre ich euch, warum. Und, so viel kann ich euch schon jetzt verraten, es hat nur ein bisschen was mit meiner eigenen Überheblichkeit zu tun.

Englische Aussprachefehler

Das Phänomen ist bekannt: Wer Englisch als Fremdsprache spricht, hat einen Akzent. “Sänk you” (korrekte Aussprache: [θæŋk juː]) gleich vorne weg: Das berühmt berüchtigte th [θ] ist für viele eine harte Nuss. Manche ersetzen diesen untypischen dentalen Laut, bei dem die Zunge unpraktischerweise zwischen die Zähne geschoben werden muss, durch einen Zischlaut wie /s/ oder /z/, andere sprechen stattdessen lieber ein d (“dänk ju”). Doch das th ist so prominent, dass wir uns zumindest bemühen, es korrekt auszusprechen — auch wenn uns das nicht immer gleich gelingt.

Viele Aussprachefehler passieren aber fast unbemerkt: Zum Beispiel der Unterschied zwischen /v/ und /w/. („very well“ ([veri wɛl]) Welchen Unterschied, fragt ihr euch? Ja, genau! Als Deutschsprachige hören wir (so gut wie) keinen Unterschied. Denn der Laut w existiert in unserer Sprache überhaupt nicht. Wie soll man also etwas hören, von dem man gar nicht weiß, dass es da ist? Was tun wir also beim Sprechen? Entweder sagen wir zu jedem /w/ /v/, weil uns das leichter fällt. Oder wir sagen zu jedem v w, weil wir übergeneralisieren. Das heißt wir haben also irgendwo mal gehört, dass es theoretisch einen Unterschied gibt, und geben uns jetzt extra Mühe. Und schießen dabei oft übers Ziel hinaus.

Auch die für das Deutsche typische Auslautverhärtung lässt sich nicht so einfach auf das Englische übertragen. Das heißt im Deutschen sprechen wir Konsonanten am Wort- oder Silbenende immer “hart” aus, oder im Fachjargon: Konsonanten am Ende sind auf Deutsch immer stimmlos. Der deutsche Hund [hʊnt] wird also mit einem “weichen” /d/ geschrieben, aber mit einem “harten” /t/ gesprochen. Auf Englisch gibt es die Auslautverhärtung aber nicht: Der englische hound [haʊnd] darf also nicht hount ausgesprochen werden. So sehr wir das als Deutschsprachige auch verinnerlicht haben.

Wir alle sprechen mit Akzent

Grundsätzlich gilt, wir alle sprechen mit Akzent. Auch unsere Muttersprachen. Deutsche Muttersprachler*innen sprechen mit Berliner Akzent, mit Berner Akzent oder Wiener Akzent. Oder einem Akzent irgendwo dazwischen. Akzentfreies Sprechen gibt es nicht. Wenn Menschen eine Fremdsprache lernen, übertragen sie lautliche Eigenschaften von ihrer Muttersprache auf diese Fremdsprache. Das ist zunächst noch kein sonderlich spannender Befund. Das ist allen von uns, die irgendwann schon einmal eine Fremdsprache gelernt haben, mehr als klar.

Interessant wird die Sache erst, wenn man etwas genauer hinschaut. Deutschsprachige wissen in der Regel ganz genau, wie sich ein deutscher Akzent auf Englisch anhört und wie sie ihren eigenen Akzent — eventuell mit etwas Hilfe — verbessern könnten. Tatsache ist aber, dass viele von uns selbst nach Jahren immer noch mit Akzent sprechen. Mehr noch: Wenn man uns fragt, für wir gut wir unsere Aussprache halten, sind wir meist “schon ganz zufrieden” mit uns selbst.

My English is better than yours

Dieses Phänomen nennt sich “Akzentparadoxon”: Es stellt uns sprichwörtlich die Zehennägel auf, wenn andereEnglisch reden, wir halten unsere eigene Aussprache aber eigentlich für ziemlich passabel. Selbst — oder vor allem — dann, wenn dem eigentlich gar nicht so ist.

Nun gibt es dazu eine internationale Studie. 2020 haben Forscher*innen aus Österreich, Deutschland und Malta folgendes Experiment durchgeführt: In einem ersten Schritt haben sie 24 Studentinnen gebeten, einfache englische Sätze vorzulesen. Sätze wie „The family bought a house“, „The jug is on the shelf“ oder „They heard a funny noise“. Diese Sätze wurden aufgenommen und am Computer zuerst verfremdet und anschließend von Frauen- in Männerstimmen umgewandelt. Dabei blieb der Akzent unverändert, aber es war den Studentinnen nicht mehr möglich, ihre eigenen Stimmen wiederzuerkennen.

Nach ein paar Wochen wurden dieselben Teilnehmerinnen noch einmal eingeladen. Diesmal bestand ihre Aufgabe darin, die Aufnahmen zu bewerten. Welche dieser vermeintlichen Männer hat die beste, welche die schlechteste Aussprache. Zur Bewertung stand ihnen ein gewöhnliches Schulnotensystem zur Verfügung. Jede Probandin bekam insgesamt vier Aufnahmen, unter denen sich auch die eigene Aufnahme befand.

Und tatsächlich: Obwohl die Studentinnen ihre eigene Stimme nicht wiedererkennen konnten, bewerteten sie ihren eigenen Akzent deutlich besser als den der anderen Studentinnen.