Mythen über Mehrsprachigkeit
Nachdem ich mit Adeline über ihre persönlichen Erfahrungen mit der dreisprachigen Erziehung gesprochen habe, musste ich sie einfach fragen: Welche Tipps hat denn sie als Expertin für junge oder zukünftige Eltern? Welche Ängste haben Eltern im Hinblick auf der Mehrsprachigkeit? Und wie kann man erfolgreich mehrsprachig erziehen, obwohl man anfangs noch unsicher ist?
Es gibt diese typische Unsicherheiten, die viele Eltern auch von Anfang an oder schon vor der Geburt des Kindes oft haben. Das ist einmal, dass die Anzahl der Sprachen den Sprachentwicklungsprozess hemmen könnten. Also das sind zwei Dimensionen. Einmal dieses drei, vier Sprachen, fünf Sprachen, das ist doch zu viel. Mein Kind kann doch am Ende keine Sprache richtig, das höre ich sehr oft. Man geht auch davon aus, dass sobald das Kind weniger Kontakt zu einer Sprache hat als ein monolinguales Kind, dass es automatisch nicht in der Lage sein wird, eine sehr hohe Kompetenz in dieser Sprache zu entwickeln wird. Das ist aber nicht der Fall. Man muss einfach immer schauen, was für Faktoren da sind und wie man mit den unterschiedlichen Hebeln spielen kann, wo man schrauben kann sozusagen. Aber grundsätzlich ist es nicht so, dass vier, fünf Sprachen zu viel wären für ein Kind.
Was auch damit zusammenhängt, ist dieser Gedanke, dass Mehrsprachigkeit in der Sprachentwicklung zu Problemen führen kann. […] Da ist mir immer sehr wichtig zu sagen, es liegt nicht an der Mehrsprachigkeit. Das heißt, wenn das Kind mit nur einer Sprache aufgewachsen wäre, dann hätte er diese Probleme sehr wahrscheinlich auch gehabt. […] Da ist immer wichtig, macht weiter mit der Mehrsprachigkeit. Nehmt bitte keine Sprache weg, sondern macht weiter. Wenn man eine Sprache wegnimmt, dann verliert das Kind auch Kompetenzen, die es schon hat. Das ist mir immer sehr wichtig.
Und das Dritte, was ich oft auch höre, ist die soziale Komponente. Also diese Angst um die Integration. Was kann das mit meinem Kind machen später, wenn es in die Schule geht und die anderen Kinder kriegen mit, dass es mehrere Sprachen spricht zum Beispiel. […] Solche Unsicherheiten hört man nicht von allen Eltern, sondern vor allem von Eltern, die dieses Bewusstsein dafür haben, dass ihre Sprache nicht so gut angesehen wird in der Gesellschaft. Da rede ich oft von Arabisch, Persisch, Türkisch, Polnisch zum Beispiel. Bei diesen Eltern ist dann die Angst besonders groß meistens, vor diesem Blick der anderen. Wie sie sich auch in der Öffentlichkeit fühlen, wenn sie mit ihrem Kind in ihrer Sprache sprechen. […] Das ist auch der Grund, warum manche Eltern sich erstmal dagegen entscheiden, ihre Sprache weiterzugeben. […] Dass sie sagen, ich gebe erstmal nur Deutsch weiter und mit Türkisch zum Beispiel oder mit Polnisch fange ich später an. Natürlich ist es nie zu spät, um eine Sprache einzuführen. Aber es ist immer so, je älter das Kind ist, desto mehr wird man aktiv tun müssen, damit das Kind sich auch mit der Sprache verbindet.